IEC 62368-1 ist auf dem Weg: Die neue Sicherheitsnorm für IKT- und AV-Ausrüstung (2024)

Von Jeff Schnabel, VP Marketing, CUI Inc.

Das Datum, an dem die neue Sicherheitsnorm IEC62368-1 in Kraft tritt, steht fest. Der Termin– der 20.Dezember 2020– rückt immer näher, deshalb befasst sich dieser Artikel mit den Grundprinzipien, die diese neue Norm bestimmen, was sie für die Produktzertifizierung bedeutet und wie Produkthersteller den Umstieg möglichst reibungslos bewerkstelligen können.

HBSE-basierte Norm

IEC 62368-1 in ihrer 2. Fassung ist weit mehr als eine neue Zusammenstellung von Normen oder lediglich ein neuer Name. Die neue Norm ist vielmehr deshalb bedeutsam, weil sie eine neue, gefahrenbasierte Perspektive für Produkttests von IKT-Ausrüstung (Informations- und Kommunikationstechnologie) und AV-Ausrüstung (Audio/Video) in Nordamerika und der EU einführt. Die neue Norm löst die auslaufenden Normen IEC60950-1 für IKT-Ausrüstung und IEC60065 für AV-Ausrüstung ab und führt als gemeinsame Norm grundlegend andere Konstruktionsprinzipien und Terminologien ein.

Schon seit 2002 war der IEC-Technikausschuss TC108 mit der Einführung von IEC62368-1 befasst. Sie wurde nötig, weil durch die Einführung völlig neuer Arten von erschwinglichen Produkten für den Einsatz in Klein- und Heimbüros und im Bereich Home Entertainment die Grenzen zwischen IKT- und AV-Ausrüstung im Laufe der Zeit zunehmend verwischt wurden. Während der Geltungsbereich der neuen Norm der gleiche ist, markiert die Nutzung des so genanntem Hazard-Based Safety Engineering (HBSE)– auf Deutsch: gefahrenbasierte Sicherheitstechnik– einen Paradigmenwechsel weg von der Notwendigkeit des Nachweises, dass die vorgegebenen Spezifikationen erfüllt sind.

Ziel der einheitlichen, harmonisierten Norm ist es, mehr Zukunftssicherheit zu bieten. Dazu fordert sie, dass von den Herstellern demonstriert wird, wie bekannte Gefahren berücksichtigt wurden und wie ihre Produkte so aufgebaut wurden, dass sie in den jeweils vorgesehenen Umgebungen sicher genutzt werden können. Außerdem wird erwartet, dass Produktentwicklern dank IEC62368-1 mehr Flexibilität bei ihren Entwürfen und Bewertungen eingeräumt wird und sie so ohne häufige, teure und belastende Revisionen mit der technischen Entwicklung Schritt halten können.

Angesichts des Vormarschs neuer Technologien– und damit neuer Märkte– soll die einheitliche, harmonisierte Norm einen klaren Rahmen für die Bewertung der Sicherheit neuer Geräte bieten. Die neue Norm gilt für alle aktuellen Geräte, für die bisher IEC60950-1 und IEC60065 galten, und neue Produkte werden automatisch von der neuen Norm erfasst. Zu den Produktkategorien zählen:

  • Computer- und Netzwerkprodukte: Server, PCs, Router, Notebook/Laptop-Computer, Tablets sowie deren Netzteile
  • Unterhaltungselektronik: Verstärker, Heimkinosysteme, Digitalkameras, persönliche Musikabspielgeräte
  • Displays und Displayeinheiten: Monitore, Fernseher, digitale Projektoren
  • Telekommunikationsprodukte: Netzwerkinfrastruktur-Ausrüstung, Schnurlos- und Mobiltelefone, batteriebetriebene Kommunikationsgeräte
  • Bürotechnik: Kopierer, Aktenvernichter
  • Verschiedene Arten von Audio-/Video-, Informations- und Kommunikationstechnik in Wohnungen, Schulen, Rechenzentren, kommerziellen und professionellen Umgebungen

Außerdem ist die neue Norm nicht nur auf Produkte beschränkt, sondern bezieht sich auch, soweit zutreffend, auf Komponenten und Subsysteme. Daher müssen Unternehmen, die von Drittanbietern Subsysteme wie etwa Netzteile beziehen, klären, ob das gewünschte Produkt nach IEC62368-1 zertifiziert ist. In gleicher Weise unterliegen Komponenten, die in Geräten verbaut werden, wie etwa in das Gehäuse integrierte Netzteile, der neuen Norm, ebenso wie alle externen Netzteile und Adapter, die den eigentlichen Geräten bei Auslieferung beiliegen.

Gefahren und Schutzmaßnahmen

Wie bereits erwähnt, stellt der Umstieg auf die HBSE-Grundsätze durch die neue Norm einen Schwerpunktverschiebung dar. HBSE ist ein Bereich der Sicherheitswissenschaft, die in den letzten 25Jahren zunehmend an Einfluss gewonnen hat. Ihr Ansatz: Verlagerung der Rechtsvorschriften zur Produktsicherheit hin zu einer leistungsorientierten Denkweise und zu mehr Flexibilisierung, wodurch sie wirksamer werden als bei normativen Ansätzen. Das Ziel von HBSE ist es, Geräte sicher für Anwender zu machen, indem potentiell gefährliche Energiequellen identifiziert werden, die in der Lage sind, Schmerz oder Verletzungen bei den Anwendern zu verursachen, und die geeigneten Mittel zu empfehlen, mit denen verhindert werden kann, dass diese Energien übertragen werden. Die logische Grundlage kann wie folgt zusammengefasst werden:

  • Identifizieren der verwendeten Energiequellen
  • Messen der Energiepegel, die diese erzeugen
  • Bestimmen, ob die Energiequelle gefährlich ist
  • Entsprechendes Klassifizieren
  • Identifizieren, wie die Energieübertragung auf einen Teil des Körpers erfolgt
  • Bestimmen geeigneter Schutzmaßnahmen
  • Messen der Wirksamkeit der Schutzmaßnahmen

HBSE stellt Gefahren und Schutzmaßnahmen als Drei-Block-Modelle dar, mit denen die Verbindung zwischen Energiequelle, Energieübertragungsmechanismus oder Schutzmaßnahme und Endanwender veranschaulicht wird, wie im folgenden Beispiel:

IEC 62368-1 ist auf dem Weg: Die neue Sicherheitsnorm für IKT- und AV-Ausrüstung (1)

Abbildung1: HBSE-Drei-Block-Modell für Schutzmaßnahmen und Energieübertragung (Bildquelle: CUI Inc.)

Ähnlich wie zur Beurteilung von Verletzungsgefahren nutzt die neue Norm das HBSE-Drei-Block-Modell auch zur Bewertung des Potenzials für elektrisch verursachte Brände. Grundlage hierbei ist, dass ein Brennstoff vorhanden sein muss, damit es zu einer Entzündung kommen kann. Außerdem bezieht 62368-1 alle Energiequellen ein, die für elektrische IKT-/AV-Ausrüstung relevant sind, darunter elektrische, thermische, chemische, kinetische und abgestrahlte Energie.

Die IEC62368-1-Normen klassifizieren die Energiepegel, denen ein Benutzer ausgesetzt werden kann, als ES1, ES2 und ES3, wobei ES1 die niedrigste Kategorie ist. Eine vergleichbare ansteigende Skala wird verwendet, wenn es um die Analyse von elektrischen-Brandgefahren und der Mitteln zu ihrer Prävention geht. Diese Skala von Energiepegeln hilft Entwicklern dabei, die für ihr Produkt erforderlichen Schutzmaßnahmen zu entwickeln, einschließlich Verfahren wie z.B. Schutzerdung, Isolierung und feuerfeste Räume. Auch der Anwender wird kategorisiert, diesmal durch seine Kompetenz, als entweder „normale Person“, „geschulte Person“ oder „eingewiesene Person“.

IEC 62368-1 ist auf dem Weg: Die neue Sicherheitsnorm für IKT- und AV-Ausrüstung (2)

Abbildung2: Energiepegel-Klassifizierung laut IEC62368-1 (Bildquelle: CUI Inc.)

Zeitplan bis zur Implementierung

Änderungen stehen ins Haus, und für Unternehmen, die ihren eigenen Umstieg noch nicht in Angriff genommen haben, wird es höchste Zeit, sich vorzubereiten und eigene Schutzmaßnahmen zu ergreifen.

Die neue gefahrenbasierte Methodik bei der Sicherheitsanalyse zielt darauf ab, Entwicklern mehr Flexibilität bei der Konzeption der Sicherheitsmaßnahmen im Kontext ihrer eigenen Produkte zu verschaffen. Gleichzeitig erfordert die neue Norm eine gründliche Beurteilung, um zu gewährleisten, dass diese Produkte in der Anwendung sicher sind und keine Verletzungen oder Brände verursachen können. Dieser Ansatz unterstützt die Einführung neuer und innovativer Konstruktionsmethoden und Technologien, ohne dass diese erst abgeändert werden müssen. Dadurch sollen die Unterschiede zwischen veröffentlichten regionalen und nationalen Entsprechungen der Norm reduziert werden.

Zum Glück für OEMs enthält IEC 62368-1 in ihrer 2. Fassung Klauseln zur Unterstützung von Unternehmen beim Übergang von den alten Normen. Diese sollen ihnen zum Beispiel die Entscheidung erleichtern, wie und wann sie ihre Produkte nach der neuen Norm zertifizieren, und sie beim Management ihres derzeitigen Bestands an Subsystemen und Komponenten unterstützen, die derzeit noch 60950-1 und 60065 unterliegen.

Schließlich haben sich die Regulierungsbehörden in den USA und in Europa darauf geeinigt, das Datum des Inkrafttretens von IEC62368-1 zu synchronisieren, wodurch ein eindeutiges und einheitliches Ziel für Produktanbieter festgelegt wurde, die auf diesen wichtigen Märkten weltweit aktiv sind. Dies ist eine positive Entwicklung für OEMs, denn schließlich erhalten sie so ein wenig mehr Zeit, um ihre neuen Prüfmethoden und Dokumente vorzubereiten.

Durch die Festlegung eines klaren und harmonisierten Datums wissen die Produktanbieter genau, wo sie stehen, und am 20.Dezember 2020, wenn die bisherigen Normen auslaufen, befinden sie sich in einer starken und zukunftsorientierten Position und können innovative Produkte liefern, die sämtliche Normen uneingeschränkt erfüllen. Dank CUI gestaltet sich der Weg hin zur Compliance noch einfacher: Mit dem Angebot des Unternehmens an Netzteilen mit IEC62368-1-Zertifizierungvon 3W bis 250W erhalten Produktentwickler einen entscheidenden Vorsprung beim Umstieg auf die neue Norm.

Lesen Sie den detaillierten Hintergrundartikel von CUI zu IEC62368-1

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