Vicksburg: So knackte Grant die Mississippi-Festung des Südens - WELT (2024)

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Der Unabhängigkeitstag des Jahres 1863 spaltete Amerika wie nie zuvor. Nach mehr als zwei Jahren Bürgerkrieg und zahlreichen Rückschlägen feierte man im Norden den Tag mit Freudenfesten, Fackelumzügen und Salutschüssen. Im Süden dagegen erklärte man den 4. Juli 1863 zum „schwärzesten Tag dieses Krieges“. Denn es war Gewissheit geworden, dass die konföderierte Invasion Pennsylvanias durch die schwere Niederlage bei Gettysburg am 3. Juli zum Scheitern verurteilt war. Und einen Tag später musste die für uneinnehmbar gehaltene Südstaatenfestung Vicksburg am Mississippi kapitulieren.

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Während die Katastrophe von Gettysburg die Offensivkraft des Südens brach, die Nord-Virginia-Armee des Generals Robert E. Lee aber immerhin intakt ließ, veränderte der Fall von Vicksburg die strategische Situation der Sklavenhalterstaaten entscheidend. Denn die Konföderation war von nun an gespalten. „Der Vater der Gewässer strömt wieder ungestört ins Meer“, verkündete US-Präsident Abraham Lincoln. Die unbesetzten Teile von Arkansas, Louisiana und vor allem Texas spielten im Westen von nun an nur noch eine Nebenrolle fern von den Hauptfronten, wo ihre Ressourcen aber dringend gebraucht wurden.

Mit der Eroberung von Vicksburg stieg der Sieger Ulysses S. Grant zum Kriegshelden des Nordens auf, ein Jahr später sollte er Oberbefehlshaber sämtlicher Unionsarmeen sein, fünf Jahre darauf US-Präsident. Bis zum Juli 1863 hätten nur wenige darauf gewettet. Denn im siebenmonatigen Kampf um die Mississippi-Festung hatte Grant schwere Rückschläge hinnehmen müssen, mehrmals standen seine Truppen am Rand der Katastrophe, und er selbst war auf dem besten Weg in den Suff. (Berühmt ist das Bonmot Lincolns, der Grants Kritiker mit den Hinweis abfertigte: Der Mann trinkt? Stellen Sie fest, welche Marke, damit ich meinen übrigen Generälen auch ein Fässchen davon schicken kann.)

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Vicksburg war keine klassische Festung. Der Ort mit wenigen Tausend Einwohnern lag auf einem etwa 60 Meter hohen Plateau, das sich auf dem Ostufer des Mississippi im Norden des gleichnamigen Staates entlangzog. Weniger seine Bastionen, sondern die Geografie machten den Ort beinahe uneinnehmbar. Nicht nur der breite Strom, sondern auch zahlreiche Altarme, Sümpfe, Urwälder erschwerten die Annäherung von Norden, Westen und Süden. Gegen einen Angriff von Osten sicherten die erhöhte Lage sowie Schluchten und Erdbefestigungen die Stadt. Hinzu kamen das subtropische Klima und mehr als 200 schwere Geschütze, mit denen die Südstaatler dieses „Gibraltar des Mississippi“ ausgestattet hatten.

Seit November 1862 hatte sich Grant mit seiner Tennessee-Armee in kleinen Schritten bis auf Sichtweite Vicksburgs vorgekämpft. Eine Eisenbahnlinie, die wiederholt zum Ziel südstaatlicher Raids wurde, und der Fluss sicherten den Nachschub. Aber alle Versuche, sich durch die Anlage von Kanälen und Dämmen näher an die Festung heranzuarbeiten, scheiterten. Stattdessen verlor der blaue General mehr Männer durch Fieber und andere Krankheiten als durch feindliche Kugeln und musste sich zeitweilig zurückziehen.

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Daraufhin entwickelte Grant eine Strategie, die zum Schlüssel für den Sieg des Nordens im Bürgerkrieg werden sollte. Wie einst Napoleon I. wollte er sich von seinen Nachschublinien lösen und mit seinen rund 30.000 Mann von dem Land ernähren, durch das er zog. Damit wollte er zum einen die Versorgung Vicksburgs kappen und zum anderen die konföderierten Truppen zerschlagen, mit denen General Joseph E. Johnston als neuer Oberbefehlshaber in Mississippi eine neue Armee aufstellte.

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Lincoln und sein Stab in Washington waren über diesen Vorschlag entsetzt, bestärkt durch die kritischen Berichte, mit denen Grants Untergebener John McClernand, der selbst nach dem Oberkommando strebte, die Autorität seines Chefs zu untergraben suchte. Selbst Grants wichtigste Korpskommandeure, William T. Sherman und James B. McPherson, hielten den Plan für ein Himmelfahrtskommando.

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Doch Grant, der mit mittelmäßigen Noten die Militärakademie von West Point absolviert hatte, hielt nicht viel von Strategiehandbüchern, sondern dachte politisch und pragmatisch: „Das ganze Land war schon demoralisiert, weil unsere Armeen so erfolglos waren … Wenn wir jetzt bis Memphis zurückgingen, mussten die Menschen so mutlos werden, dass uns auch die Nachschubbasen nichts mehr nützen konnten.“ Stattdessen setzte er alles auf eine Karte, um den „entscheidenden Sieg“ zu erringen.

Um John Pemberton, den Oberbefehlshaber in Vicksburg, zu verwirren, inszenierte Grant Mitte April 1863 zunächst ein grandioses Ablenkungsmanöver. 1700 Kavalleristen unter dem Kommando des ehemaligen Musiklehrers Benjamin Grierson starteten zu einem 900 Kilometer langen Raid durch Mississippi, bei dem sie diverse Bahnlinien und Depots zerstörten und vor allem Pembertons Reiter von Grants Vorbereitungen weglockten.

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Parallel dazu gelang es der Flussmarine des Nordens, in der Nacht mehrere gepanzerte Kanonenboote sowie ein gutes Dutzend Transporter vom Norden aus an Vicksburg vorbei nach Grand Gulf rund 45 Kilometer weit im Süden zu schaffen. Dort hatte ein Sklave die Nordstaatler auf einen möglichen Landungsplatz hingewiesen. Anfang Mai begann Grant die Invasion Mississippis.

Das Ziel war Jackson, die Hauptstadt des Bundesstaates. Auf dem Marsch dorthin entwickelten die Unionstruppen bald eine Meisterschaft darin, die Vorräte in den Plantagen aufzuspüren. Während sowohl Pemberton als auch Johnston noch rätselten, welchem Zweck dieses scheinbar selbstmörderische Unternehmen des Feindes dienen sollte, hatten Grants Männer die Verteidigung von Jackson überrannt. Die brennende Stadt sollte ein Menetekel für die Zerstörungszüge werden, mit denen Grants Schüler Sherman ab 1864 die Konföderation heimsuchen sollte.

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Von Jackson wandte sich Grant gegen Vicksburg. Auf halbem Weg versuchte Pemberton, mit 20.000 Mann den Blauen bei Champions Hill den Weg zu verlegen. Aber er wurde geschlagen und zog sich mit seinen demoralisierten Truppen in seine Festung zurück. „Hohläugig, bleich, zerlumpt, blutverschmiert und mit wehen Füßen humpelten die Männer unbewaffnet dahin. Es war der Menschheit ganzer Jammer“, notierte eine Bewohnerin Vicksburgs. Die Regierung im fernen Richmond (Virginia) befahl, die Stadt unter allen Umständen zu halten.

Mehrere gescheiterte Sturmangriffe überzeugten Grant bald von der Wehrhaftigkeit der Festung. Also verlegte er sich auf einen Grabenkrieg, der bereits die Schrecken des Ersten Weltkriegs erahnen ließ. Unter dem Feuer von Artillerie und Scharfschützen trieben Mineure Gräben bis zu den Verteidigungslinien und ließen Pulverminen hochgehen. Doch die Südstaatler konnten die Breschen schnell schließen.

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Aber gegen die Hunger half das nichts. Pemberton setzte seine Hoffnung auf Johnston. Der aber sah sich außerstande, gegen die Belagerungsarmee Grants vorzugehen, mit gutem Grund, war diese doch inzwischen auf 70.000 Mann gebracht worden. In Vicksburg verschwanden Pferde, Maulttiere und Katzen. Gehäutete Ratten kamen auf den Markt. Zeitungen druckten ihre Durchhalteparolen auf Tapetenpapier.

Als sich Johnston schließlich doch zu einem halbherzigen Vorstoß entschloss, war die Moral in Vicksburg zusammengebrochen. Auf Viertelrationen gesetzt, von Skorbut gepeinigt, drohte die Armee mit Meuterei. Zähneknirschend erfragte Pemberton bei Grant die Kapitulationsbedingungen. Um nicht 30.000 halbverhungerte Gefangene versorgen zu müssen, gestand er Freilassung gegen das Ehrenwort zu, in diesem Krieg nicht mehr gegen die Union zu kämpfen. Am 4. Juli hissten die Blauen über Vicksburg die Stars and Stripes.

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Mit dem Fall Vicksburg war auch die Position von Port Hudson, der zweiten, kleineren konföderierten Festung 500 Kilometer weiter südlich, unhaltbar geworden. Auch sie ergab sich den Belagerern. Josiah Gorgas, der Chef der südstaatlichen Kriegsversorgung, fasste das Ergebnis des 4. Juli 1863 zusammen: „Gestern ritten wir auf dem Gipfel des Erfolgs – heute scheint der völlige Untergang unser Los. Die Konföderation taumelt ihrer Vernichtung entgegen.“ Es waren prophetische Worte.

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